Friday 27 June 2008

Behandlungsfehler bei Typ1 Diabetikern (German)

An dieser Stelle möchte ich Behandlungsfehler beleuchten, die mir bei vielen Tagebüchern aufgefallen sind. Wenn ich in den nachfolgenden Passagen von Fehlern rede, dann blende ich natürlich die jeweilige Situation der Person aus. Generell mögen es Fehler sein, aber in gleicher Weise kann es Diabetiker geben, für die bereits kleine Verbesserungen einen großen Erfolg bedeuten. Deshalb möchte ich meine Leser darum bitten die nachfolgenden Abschnitte nicht als indirekten Vorwurf zu interpretieren. Statt dessen möchte ich Denkanstöße für die eigene Behandlung vermitteln:

Fehlende Anpassung der Basalrate

Anpassungen der Basalrate sind bei sportlicher Betätigung oder Krankheit immer erforderlich.

Wer nur bei hoher körperlicher Belastung über gute Glukosewerte verfügt (z.B. bei Kanu- oder Radtouren), der muss in Ruhephasen sein Basalinsulin erhöhen um die gleichen Ergebnisse zu erzielen. Umgekehrt gilt: Wer bereits in Ruhephasen gute Glukosewerte hat, der muss bei hoher körperlicher Aktivität eine Senkung des Basalinsulins einplanen um eine Unterzuckerung zu vermeiden.

Bei fiebrigen Erkrankungen stellt der Körper mehr Glukose aus den körpereigenen Depots bereit. Folglich muss die Basalrate erhöht werden um die zusätzliche Glukose im Blut verwerten zu können.

Bei schleichender Gewichtszunahme kommt es zu einer langsamen Erhöhung des Bedarfs an Basalinsulin. Die hinzugekommenen Körperzellen benötigen einfach mehr Insulin. Nach mehreren Monaten einer solchen Entwicklung stellt sich heraus, dass die Glukosewerte nicht mehr zufriedenstellend sind. Häufig wird dieser Zusammenhang nicht erkannt. Es wird dann versucht nur die BE-Faktoren zu erhöhen, obwohl zugleich die Basalrate erhöht werden müsste.

Falsche Basalrate

die vorherigen Punkte führen in der Konsequenz dazu, dass die Basalrate nicht mehr angemessen ist. Diese Situation kann man daran erkennen, dass viele Glukoseschwankungen auftreten. Das kurzfristige Insulin wird immer öfter als Korrekturinsulin eingesetzt um die Spitzen abzufangen. Gerade bei Patienten mit Normalinsulinen sieht man häufig, dass das Normalinsulin sich überlappt und wie ein zusätzliches Basalinsulin benutzt wird. Isst der Patient an einem Tag viele Mahlzeiten, dann funktioniert die Einstellung einigermassen. Wird auf das Essen verzichtet, dann erhöhen sich die Glukosewerte dramatisch, weil schlicht und einfach Insulin fehlt.

Besonders häufig konnte ich falsche Basalraten bei Pumpennutzern beobachten. Ich möchte fast behaupten, dass 60% der Pumpennutzer davon profitieren würden, wenn ihre Pumpenprofil besser programmiert wäre. Das ist für mich eine echte Überraschung, denn gerade Pumper haben alle Möglichkeiten ihre Pumpe schnell optimal anzupassen und schnell große Erfolge zu erzielen. Warum gerade die Pumpennutzer so sehr auf die Richtigkeit ihres Pumpenprogramms vertrauen ist mir ein Rätsel. Eigentlich müsste diese Patientengruppe jedes halbe Jahr das Pumpenprogramm in Frage stellen und zusammen mit dem Diabetologen überprüfen.

Falsches Basalinsulin

Insuline und ihre Anwendung müssen zu den körperlichen Eigenschaften des jeweiligen Menschen passen.

Ein gutes Beispiel ist das Insulin Lantus. Es ist ein modernes und äußerst wirkstabiles Basalinsulin. Für die meisten Nutzer ein großer Fortschritt. Trotzdem kann man diesen Erfolg nicht auf alle Patienten übertragen. Bei manchen Patienten beträgt die Wirkung eben nicht 24, sondern beispielsweise nur 22 Stunden. Eine solche Deckungslücke ist nicht akzeptabel, weil sie immer zu einem Anstieg des Blutzuckers führt. In einem solchen Fall könnte man mit zwei Dosen Lantus (eine morgens, eine abends) arbeiten oder auf ein anderes Insulin wie Levemir wechseln.

Auch bei Levemir handelt es sich um ein modernes Insulin, welches über eine gleichmässige und zeitstabile Wirkung verfügt. Aufgrund seiner 12 Stunden Wirkung ist es für körperlich aktive Menschen besser geeignet, weil Sport oder körperliche Arbeit durch eine Senkung des Basalinsulins kompensiert werden können.

Das jeweils richtige Basalinsulin kann man durch Ausprobieren herausfinden. Ihr Diabetologe wird Sie dabei gerne unterstützen.

Falscher Spritzabstand des Basalinsulins

Es hat sich herausgestellt, dass einige Anwender von Basalinsulin nicht die notwendigen Spritzabstände einhalten. Eine Schwankung von einer Stunde sollte dabei noch kein Problem darstellen, aber darüber hinaus sind Probleme zu erwarten. Hält man sich nicht an die 12 oder 24 Stunden Wirkzeit, so hat man in einem Bereich eine Überlappung der Basalinsuline und in anderen Bereichen eine Unterversorgung mit Basalinsulin. Das führt zu einer Senkung bzw. einem Anstieg der Glukosewerte, die man sich nur durch unsere visuelle Darstellung des Insulins im Kurvenverlauf erklären kann. Ein reiner Blick in die Eintragungen des Tagebuchs kann solche Zusammenhänge nicht entlarven. Hier ist darauf zu achten, dass die Spritzabstände besser eingehalten werden.

Falsche BE-Faktoren

Tritt sehr häufig um 23 Uhr ein erhöhter Glukosewert auf, so sieht man im Tagesvergleich eine häufige Rotfärbung in dieser Phase des Tages. Solche Häufungen sind Hinweise auf einen falsch bemessenenen BE-Faktor um 17 bis 20 Uhr, also beim Abendbrot. Folglich kann die Erhöhung sehr einfach durch Erhöhung des BE-Faktors in diesem Zeitraum beseitigt werden. Welcher BE-Faktor genau anzupassen ist, hängt vom verwendeten Insulin ab. Ein Analoginsulin hat eine Wirkzeit von 2-3 Stunden und ein Normalinsulin wirkt 4-5 Stunden. Genau dieses Zeitfenster muss man zurückschauen um die Tagesphase zu finden in der eine Anpassung des BE-Faktors hilfreich wäre um hohe Werte zu vermeiden.

Oftmals werden BE-Faktoren für manuelle Berechnung so gewählt, dass die Kalkulation im Kopf leicht fällt. Minimale Abweichungen vom optimalen BE-Faktor führen aber zu einer qualitativ schlechteren Einstellung. Eine Abweichung um 0,2 im BE-Faktor führt bei 4 BE zu einer Spritzmenge, welche um 1 IE zu niedrig liegt. Folglich kann der Zielwert um 30 mg/dL überschritten sein. Man kann also folgende Regel aufstellen:

Beobachtung:
viel essen => 3-4 Stunden später schlechter Wert
wenig essen => 3-4 Stunden später guter Wert

Schlussfolgerung:
BE-Faktor ist im Nachkommabereich nicht ganz korrekt, denn bei hohen BE-Mengen skaliert der Fehler hoch und es kommt zu einer Unterdosierung. Folglich sollte der BE-Faktor im Nachkommabereich erhöht werden - z.b. plus 0,2

Unterschätzung der Abhängigkeiten von Glukosewerten

Ein guter Glukosewert vor dem abendlichen Schlaf führt mit größerer Wahrscheinlichkeit zu einem guten Glukosewert morgens. Möchte man also morgens gute Werte erreichen, so geht dies am einfachsten indem der abendliche Wert verbessert wird. Der vorherige Glukosewert ist quasi die Vorbedingung für die nachfolgenden Werte.

In gleicher Weise kann man feststellen, dass eine Unterzuckerung tendenziell dazu führt, dass nachfolgende Glukosewerte niedriger ausfallen. Deshalb rechnen wir bei Unterschreitung des Zielwertes auch Insulineinheiten aus dem Dosisvorschlag heraus (negative Korrektur) um den Zielwert bei der nachfolgenden Messung zu erreichen.

Kardinalfehler

Passivität ist sicherlich der größte Fehler, den ich beobachten konnte. Bei Verschlechterungen wird viel zu spät und sehr zögerlich eingegriffen. Hier wünsche ich mir eine höhere Bereitschaft zu Veränderungen. Eine Anpassung der Basalrate oder der BE-Faktoren ist schnell durchzuführen. Bei entsprechender Vorsicht lässt sich daraus sehr schnell ableiten, wie eine nachhaltige Verbesserung erreicht werden kann.

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